Die Unterschiede bestehen tatsächlich nur auf den ersten Blick. Direkt nach meinem Studium habe ich mich als Rechtsanwalt selbstständig gemacht und zeitgleich zwei Firmen gegründet. Die eine hieß Microfaktor UG. Ziel dieser Firma war klar der Verbraucherschutz. Ich hatte im Studium die Erfahrung gemacht, dass Verbraucher, gerade wenn sie über wenig Geld verfügen, oft von großen Firmen benachteiligt werden.
Der Bundesgerichtshof hat in vielen Urteilen bereits entschieden, dass ein so genannter pauschaler Schadensersatz nicht in den AGB vereinbart werden kann. Gleichwohl halten viele Firmen an solchen Regelungen fest. Konkret ging es um die Vereinbarung einer so genannten Rücklastschriftgebühr. Das bedeutet, dass dem Vertragspartner eine feste Gebühr, meistens um die 25 €, in Rechnung gestellt wird, wenn das Konto des Kunden nicht gedeckt ist und deswegen die Lastschrift nicht eingezogen werden kann.
Diese Praxis ist unzulässig, benachteiligt die Ärmsten und wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen mindestens etwa fünf Verträge haben, für die regelmäßig abgebucht wird, summieren sich die Beträge über die Jahre doch erheblich.
Die Verjährungsfrist für derartige Forderungen – gemeint sind hier die Rückforderungen des Verbrauchers gegen die Firmen aufgrund der unberechtigten in Anspruch Name – beträgt mindestens drei Jahre. So können schon einige 100 € zusammenkommen.
Was wollten Sie gegen diese unseriösen Geschäfte tun?
Die Geschäftsidee von Microfaktor UG war nun, den Geschädigten Verbrauchern ihre Forderungen ab zu kaufen, so dass diese sofort Geld in der Tasche hatten. Microfaktor UG hat dann diese Forderungen im eigenen Namen gegen die Firmen durchgesetzt.
Dieses Modell war im Prinzip auch erfolgreich. Wir haben erfolgreich Forderungen von Verbrauchern gekauft und diese auch den Firmen gegenüber durchgesetzt. Allerdings mussten wir schnell feststellen, dass es sich um ein sehr Kapital intensives Projekt gehandelt hat, da wir immer in Vorkasse gehen mussten und die Firmen sich oft quer gestellt haben. Wir waren daher darauf angewiesen, die Firmen zu verklagen. Dies hat die Realisierung unserer Gewinne um Jahre nach hinten verschoben.
Aus diesem Grund, da zu diesem Zeitpunkt auch keine Finanzierung des Projektes durch Dritte Geldgeber in Aussicht stand, haben wir damals das Projekt beendet und die Mikrofaktor UG liquidiert. Aus heutiger Sicht war das ein Fehler und man hätte intensiver nach Investoren suchen sollen. Es gibt ja heute einige erfolgreiche Firmen am Markt, die ein sehr ähnliches Geschäftsmodell haben. Aber wir waren damals jung und hatten noch nicht die geschäftliche Erfahrung wie heute.
Welche andere Firma haben Sie damals gegründet und worum ging es dabei?
Direkt nach dem Referendariat war ich zwar schon selbstständig als Rechtsanwalt zugelassen, habe aber noch nebenbei in einer anderen Kanzlei gearbeitet, die damals bereits massenhaft Urheberrechtsverletzungen im Internet verfolgt hat. Ich habe dann erkannt, dass die dafür verwendete Verwaltungssoftware, die bereits ein erster Ansatz von Legal Tech war, auch für Verbraucherschutzprojekte sehr relevant sein könnte. Aber auch das Thema Antipiraterie hat mich von Anfang an interessiert, da auch die Künstler und Urheber, deren Rechte massenhaft verletzt werden, Anspruch auf eine angemessene Vertretung und Entschädigung haben.
Aus diesem Grund habe ich damals mit zwei Geschäftspartnern zusammen eine Softwarefirma gegründet, deren Inhalt bereits Legal Tech Lösungen, primär aber Software zum Auffinden von Urheberrechtsverletzungen war.
Diese Firma war auch sehr erfolgreich. Allerdings habe ich mich damals entschieden, diese Firma dann zu verlassen, um mich voll auf meine Arbeit als Rechtsanwalt zu konzentrieren.
Wie geht es der Firma heute und haben Sie noch Verbindungen?
Der Firma, der SKB UG, geht es sehr gut. Sie ist heute einer der führenden Anbieter von forensischer Software für die Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen. Sie hilft bei der Suche und Dokumentation von Bilderklau im Internet, bei der Dokumentation von Wettbewerbsverstößen und von Markenrechtsverstößen. Sie überwacht die Internettauschbörsen auf illegale Angebote hin und lässt illegale Seiten löschen (Take Down).
Außerdem bietet sie Aktenverwaltung und Legal Tech Lösungen an. Meine Kanzlei greift regelmäßig auf die Dienste Der SKB UG zurück. Wir sind mit der Arbeit sehr zufrieden.
Was ist mit dem Begriff Legal Tech eigentlich gemeint?
Legal Tech bezeichnet im Wesentlichen die Fusion von Software mit Rechtsdienstleistungen. Das bietet sich immer dort an, wo Massenverfahren möglich sind. Diese wiederum finden sich meistens da, wo massenhaft Rechte verletzt werden. Das kann auf ganz vielfältige Weise geschehen. Ein Beispiel sind die massenhaften Urheberrechtsverletzungen im Internet. Hier hält es eine Vielzahl von Personen nicht für nötig, die Kreativen und die Unterhaltungsindustrie angemessen für ihre Dienste zu bezahlen und stattdessen wird dann geklaut, zum Beispiel mittels Filesharing. Diese Verfahren können sehr gut technisch unterstützt geführt werden, da die Sachverhalte oft sehr ähnlich sind. Hier sind wir sehr erfolgreich darin, den Urhebern zu ihrem Recht zu verhelfen.
Ein anderes Beispiel sind die massenhaften Rechtsverletzungen von großen Firmen zulasten von Verbrauchern. Aktuell kommen einem der Diesel Skandal, die unberechtigten Forderungen von Kreditbearbeitungsgebühren durch Banken, aber auch die massenhafte Schädigung von Anlegern durch fadenscheinige Anbieter des grauen Kapitalmarktes in den Sinn.
Auch diese Verfahren werden technisch unterstützt in großer Zahl erfolgreich geführt.
Ein weiteres Segment beziehungsweise Anwendungsgebiet von Legal Tech ist der klassische Forderungseinzug, auch Inkasso genannt. Auch hier werden kleine, mittlere und große Handwerksbetriebe, Unternehmen und andere Firmen um das ihnen durch ihre Leistung zustehende Geld gebracht in, indem die Rechnungsempfänger einfach nicht bezahlen. Wir helfen den Geschädigten, indem wir ihnen einfache Lösungen anbieten, diese Forderungen anzumahnen, über ein gerichtliches Mahnverfahren, oder gegebenenfalls gerichtlich im streitigen Verfahren einzutreiben.
Nun haben ja Abmahnungen immer noch einen schlechten Ruf. Was entgegnen Sie, wenn ihnen vorgeworfen wird, dass das nicht mit ihren Verbraucherschutzprojekten zusammenpasst?
Der schlechte Ruf der Abmahnung ist vollkommen ungerechtfertigt. Wer eine Urheberrechtsverletzung im Jahr 2021 begeht, weiß sehr genau, was er tut. Filesharing begeht man nicht mal eben nebenbei aus Versehen, sondern man muss sich dafür eine spezielle Software herunterladen und aktiv nach den illegalen Inhalten suchen.
Es gibt jede Menge günstige und auch kostenlose legale Alternativen, um sich mit Musik, Filmen und anderer Unterhaltung zu versorgen. Niemand muss klauen. Wer es doch tut, hat eben mit Konsequenzen zu rechnen. Ich verstehe die Aufregung darüber nicht. Wenn Sie im Supermarkt klauen, wundern Sie sich doch auch nicht, wenn Sie dann vom Detektiv erwischt werden. Es ist einfach Zeit, dass das Ergebnis kreativer Arbeit, nämlich das geistige Eigentum, wieder die Wertschätzung erfährt, die ihm gebührt.
Im Urheberrecht vertrete ich Künstler und Unternehmen aus der Unterhaltungsbranche. Deren Rechte setze ich durch, wenn sie verletzt werden.
Im Verbraucherschutz ist das nichts anderes. Ist der Verbraucher geschädigt, weil eine Firma ihn getäuscht hat, ihm gegenüber eine unberechtigte Forderung geltend macht, oder weil ihm ein wertloses Anlageprodukt vermittelt wurde, so verhelfe ich ihm zu seinem Recht.
Viele dieser Verfahren können mithilfe von Legal Tech geführt werden. Das bietet Vorteile für alle Beteiligten. Denn auf diese Weise können ähnliche Sachverhalte zusammengeführt werden, Kosten gespart und Prozesse effektiver und schlanker gemacht werden. Hiervon profitieren meine Mandanten.